Aus
meinem (nicht immer nur)
Autorenleben. :)
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Sa
08
Jan
2022
Neulich war Silvester und nach dem dritten Kaisergranat meinte unser Nachbar, es hätte vermutlich prähistorische Ursachen, dass Frauen multitaskingfähiger seien als Männer. Schließlich jagten letztere nur dem Mammut hinterher, während sich Frauen auch noch um die Kinder kümmern müssten, während sie Beeren sammelten.
Fast hätte ich widersprochen. Nicht der Sache an sich – aber die Vorstellung, dass die Frauen lediglich sammelten und hüteten, war doch eindeutig zu kurz gegriffen. Vor meinem inneren Auge sah ich jedenfalls sofort eine bestens beschäftigte Steinzeitdame vor mir, die mit einer Hand ein Riesenfaultierfell gerbte und mit der anderen eine schmackhafte Auerochsen-Brühe zubereitete … die überdies das Feuer am Brennen hielt, während sie gleichzeitig ihre Erstgeborene Uuarg’h davon abhielt, den kleinen Bruder Hundr’ghrrr mit der Steinaxt zu skalpieren und die nebenbei auch noch einen Säbelzahntiger abwehrte, der ihr an die Auerochsen-Suppe wollte.
Allein die Frage nach meinem Blog (und zwar dem hier), der seit mehreren Jahren im tiefen Dornröschenschlaf ruhte, ließ mich vorzeitig verstummen. Ja, wieso eigentlich hatte ich seit 2013 keinen Beitrag mehr verfasst? Schließlich bin ich doch eine Frau und damit automatisch multitaskingfähig … oder? Ich kann gleichzeitig ein Buch, einen Blogeintrag und einen Einkaufszettel schreiben und nebenbei noch die Steuererklärung machen, eine professionelle Zahnreinigung durchführen lassen und das Auto zur Werkstatt bringen.
Oder?
Ein Blogbeitrag zum Thema „Multitasking“ – das erschien mir spontan als das totale … Multitasking! Vor allem, weil ich ja wirklich echt viel gleichzeitig kann! Zumindest tu ich es einfach. Manchmal ist das nicht gut, ich weiß ja. Beim Essen zum Beispiel sollte man voll und ganz in seinem Tun aufgehen und jeden Bissen ganz bewusst schmecken und zwanzig Mal kauen, bevor man ihn herunterschluckt. Man sollte nicht nebenbei E-Mails beantworten und die letzten Adventskranz-Wachsflecken vom Tisch pulen.
Mir ist auch klar, dass ich beim Zähneputzen nicht immer Mah-Jongg spielen sollte. Aber Zähneputzen ist so langweilig. Mah-Jongg macht viel mehr Spaß! Und vielleicht breche ich ja doch noch mal meinen persönlichen Rekord! Auch wenn ich mittlerweile schon gar keinen Zahnschmelz mehr auf dem Dentin habe.
Natürlich ist es auch viel einfacher, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, die einem leicht fallen. Ich kann zum Beispiel sehr gut auf dem Sofa liegen, dabei Netflix gucken und Schokolade essen. Ich möchte nicht so weit gehen, von so etwas wie Talent zu reden – aber darin bin ich wirklich gut!
Viel schwieriger ist es hingegen, Tätigkeiten miteinander zu verbinden, die schon einzeln nicht so ganz ohne sind. Stricken und Isländisch lernen zum Beispiel.
Stricken. Selbstverständlich habe auch ich mir in den Achtzigern mal einen Pullover gestrickt, so wie alle weiblichen Jugendlichen damals, die darüber hinaus Teeservices mit Stövchen besaßen und Mixtapes aus dem Radio aufnahmen. Die Wolle war blau und flauschig gewesen (Plüschquamperfekt heißt diese Zeit grammatikalisch richtig) und hatte so manchen Fehler verziehen. Anschließend habe ich dann die beiden Wollquadrate und diese seltsamen Puffärmel zusammengenäht und zack, fertig, nie angezogen.
Woher kamen jetzt nur diese Gelüste nach Wolle und Stricknadeln? Fast vierzig Jahre später?
Nachdem mich das Nadelspiel und die dünne Sockenwolle meiner 2008 verstorbenen Schwiegermutter bereits vor Weihnachten in den schieren Wahnsinn getrieben hatten, wusste ich genau: Wenn es in diesem Leben noch mal klappen sollte, dann mussten zwei dicke Nadeln her und sehr dicke, flauschige Wolle, die so manchen Fehler verzeiht (es sind übrigens Leuchtnadeln geworden, 8 mm dick. Ich wollte gar keine Leuchtnadeln kaufen, aber sie waren sehr stark herabgesetzt, da sie aus dem Sortiment genommen werden.).
Und nun sitze ich auf dem Sofa mit dem glückseligen Gefühl, mir gerade einen sehr großen, dicken Schal (oder eine kleine Decke) zu stricken! Jedenfalls irgendwas, was einfach ist und was man sich anschließend dekorativ um die Schultern legen kann. Ohne Bündchen, ohne Maschen, die man auf- oder abnehmen muss. Ohne eine Ferse, Finger oder aufwendige Muster. Einfach nur rechts, links, rechts, links.
Herrlich.
Okay, ein bisschen langweilig auf Dauer. Schließlich wird mein Schal ziemlich breit (es sei denn, es wird eine schmale Decke). Rechte Masche, linke Masche, rechte Masche. Also schalte ich Netflix ein. Das kann ich. Neben mir liegt Schokolade. Und die Isländischhausaufgaben der letzten Stunde. Ich bin nicht sehr sérfróður im Stricken (bzw. sérfróð: weibliche Form). Zu sérfróður kann man auch sérmenntaður sagen (in meinem Fall sérmenntuð). Beides heißt „fachkundig“. Das bin ich nicht. Zumindest, was das Stricken betrifft. „Stricken“ heißt prjóna. Rechts, links, rechts. Ég er ekki mjög góð í prjónaskap. Oder prjónaskapum? Rechts, links. Rétt, rangt. Oder röng? Aber eigentlich heißt „rechts“ doch hægri. Wieso ist es beim Stricken anders? Rétt, rangt, rangt ... röng?
Ha? Wieso ist da mit einem Mal eine linke Masche zu viel? Und vor allem: Wie krieg ich die wieder weg? Halt, stopp, was hat Leonardo di Caprio gerade gesagt? Wir werden alle sterben? Halastjarna hrapar til jarðar! Oder … á jörðina? Wieso ist mein Isländisch nicht besser als mein Stricken, obwohl ich die Sprache schon seit acht Jahren lerne … und Stricken erst seit acht Minuten? Aaargh, jetzt klebt Schokolade in meinem breiten Schal (eða í litlu teppinu mínu)! Af hverju bin ich allt í einu nicht mehr multitaskingfähig? Warum haben nálarnar mínar einen Wackelkontakt? Og bara eine Nadel leuchtet! Það er Schokolade alls staðar! Andskotans! Nein, Finger weg von meiner Auerochsen-Suppe! Ist das da ein Säbelzahntiger, der gerade meine Kinder auffrisst? Hjálp! Tannbursti! Mah-Jongg!!!
Mi
16
Jan
2013
Die Ausgangssituation: Beide Opas sollen in einer gemeinsamen Szene des Buches auftauchen. Zwei nordnordnorddeutsche Opas, so unterschiedlich, wie zwei Opas nur sein können. Nicht nur vom Aussehen her (der eine lang, hager und kahl, der andere kurz und weißgelockt), sondern auch in dem, was ihre Vorlieben und Ansichten betrifft (der eine Hunde, der andere Katzen).
Und natürlich müssen sie sich auch sprachlich deutlich voneinander unterscheiden können.
Die tolle Idee: Einer der Opas spricht plattdeutsch! Und zwar Opa Fiete. Ha!
Das Problem: Ich kann kein Plattdeutsch. Zumindest nicht schreiben. Kein Kind versteht Plattdeutsch (oder höchstens 0,03% der zukünftigen jungen Leser). Und es reicht auch nicht, ab und zu ein plattdeutsches Wort einzufügen. Das taugt nix. Nicht Fisch, nicht Fleisch.
So geht Platt nicht. Hm.
Halbherzig surfe ich in meinem plattdeutschen Online-Wörterbuch rum. Suche Wörter raus, die ich in meinen Text einfüge, zwischen den hochdeutschen Wörtern. Achte darauf, dass es natürlich nur Begriffe sind, die mit "FL" oder höchstens noch "SL" gekennzeichnet sind - also keine Wörter aus dem Mecklenburger oder Oldenburger oder Magdeburger oder gar ostfriesischen Platt.
Hört sich immer noch doof an. Hm.
Egal, ich mache trotzdem weiter. Gibt es vielleicht ein plattdeutsches Wort für "lecker"? Mein Blick fällt auf "kleckern" - da es "lecker" einverleibt hat - und dann auf die Übersetzung "schwulern".
"Schwulern"? So'n Tüddelkram! Das heißt ja wohl immer noch "schwullern"! Ich blicke rechts rüber, wo ich am Rand die Kennzeichnung "FL" lese. Und die Erkenntnis trifft mich wie ein Donnerschlag: Es wird aussterben! "Schwullern" wird aussterben!
Ein Begriff, der ausschließlich in Flensburg vorkommt, endemisch und verletzlich wie der Dodo auf Mauritius - ja, er wird aussterben wie eben jener pummelige, flugunfähige Vogel. Und schuld daran bin ich.
Ich allein und all die anderen, die ihren Kindern gegenüber die ganzen schönen Wörter nicht mehr gebrauchen, die doch so stinknormal waren damals. So normal wie "schlafen", "essen" und "Mengenlehre".
Und gleichzeitig kommt mir die Idee: Opa Fiete muss Flensburgisch sprechen. Na klar! Also Hochdeutsch durchmischt mit all diesen Wörtern, die aus der Sprache der Petuh-Tanten stammen, die mit ihren "Partout"-Dauerkarten per Butterdampfer auf der Förde unterwegs waren und sich fragten: "Wie kann ein ssitzen bei ausses Licht und ssue Rollon und nähn abbe Knöpfe an?" und dabei munter deutsche/plattdeutsche/dänische/plattdänische Wörter/Grammatik/Satzbau durcheinander warfen.
Leider schwullert niemand in der Opa-Szene. Ich überlege kurz, ob ich doch einen Opa schwullern lasse, aber das wäre einfach zu gewollt. Zu aufgesetzt.
Aber ich habe Blut geleckt! Ich fange an, nach all den schönen Wörtern zu googeln, die sich irgendwo gaaanz hinten in meinem passiven Wortschatz verkrochen haben und darauf warten, wieder aktiviert zu werden.
Manchmal wimmere ich begeistert auf, wenn ich über lang vergessene Kleinode stolpere. "Spaken" zum Beispiel. "Mama, Nils spakt!" Nee, das gehört sich wirklich nicht.
Heutzutage wird ja nur noch getreten, aber das ist genau so unfein.
Wir haben noch mit "Maggeratsch" gespielt (wie langweilig ist dagegen Matsch), waren "krütsch" beim Essen (außer natürlich, es gab "Schnüsch") und es konnte mal "mallöern", dass man sich ein bisschen "abbeldwatsch" (oder auch "tumpich") anstellte und mit seinem Saft "geschwullert" hat. Das konnte dann ein ganz schöner "Kladderadatsch" sein und man wurde vielleicht als "Tüffel Achthein" bezeichnet ... aber es ließ sich ja wieder "wegfeudeln".
Aber wenn etwas "muchelig" war, dann hat man es doch lieber in den "Mulleimer" geworfen, so wie man es auch heute noch tut, wenn es schimmelig ist.
Obwohl, da kommen wir zum nächsten Problem. "Mulleimer" ist überhaupt nicht flensburgerisch, sondern eine (in beidseitiger Übereinstimmung genutzte) Eigenkreation meiner Großeltern. Und wie sieht es mit "ruschig" und "schnaulig" aus? Der einzige Mensch auf der Welt, der diese Wörter je benutzt hat, war Opa - wenn's draußen trüb und nieselig war.
Und gibt es vielleicht sonst noch jemanden hier, dessen Oma ihre Töchter und Enkelinnen alle "Pulle" genannt hat? Obwohl das Wort wahrscheinlich - da dänisch - "Pude" oder "Pudde" geschrieben wird. Aber die einzige Übersetzung, die ich für "Pude" finde, ist "Kissen" ... ist das wirklich ein dänischer Kosename?
Und ist "duhn" wirklich flensburgisch - oder ist man auch in Schleswig oder gar Hamburg noch "duhn", wenn man zu viel getrunken hat?
Hm. Ich sehe schon, die ganze Sache ist ziemlich "fieggeliensch". Ein ganz schönes "Aggewars". Echt sünde für mich. Oder eher "sssünde"! Ohauehaueha!
Ich müsste "tünen", wenn ich behaupten würde, ich wäre jetzt weitergekommen mit Opa Fiete.
Oh Mann, ich muss ssussehen und kommen in die Pötte!
Aber bestimmt sind da draußen im World Wide Web ein paar Flensburger, die mir weiterhelfen können!
Mi
12
Sep
2012
Nein, neu ist er jetzt wirklich nicht mehr, unser Ford Galaxy. Obwohl ein Kind dieses Jahrtausends und somit schon mit viel störanfälliger Elektronik ausgestattet, hat er mittlerweile ein paar Jahre auf dem Buckel und verbringt mehr Zeit in der Autowerkstatt als in unserer Garage. Gefühlt zumindest.
Und zwar der störanfälligen Elektronik wegen.
Die Fensterheber zum Beispiel. Früher, als man noch kurbeln musste, hörte man selten von größeren Problemen. Aber wenn sich heutzutage die Fenster nicht mehr heben lassen (und das vielleicht auch noch im Januar), dann kommt man an einer kostspieligen Reparatur nicht mehr vorbei.
Wenn das Licht nicht mehr geht, dann reicht es im Allgemeinen nicht mehr, eine kleine Glühlampe auszuwechseln, und von Scheibenwischermotor und Sitzheizung möchte ich gar nicht erst anfangen.
Diesmal jedoch ist's die Klimaanlage. Entgegen unserer Ansicht, bis zum nächsten Jahr im Mai bräuchten wir sowieso keine Klimaanlage, klärt uns der KFZ-Meister unseres Vertrauens darüber auf, dass leider der ganze Wagen nicht mehr läuft, wenn der Kompressor hinüber ist.
Also wieder Werkstatt.
Und Leihwagen. Ein weiterer Leihwagen.
Da die Leihwagen, die wir so kriegen, in der Regel noch ziemlich neu sind, sind sie mit noch viel mehr störanfälliger Elektronik ausgestattet. Und, was mir zunehmend auffällt, mit Elektronik, die dazu geschaffen ist, den Fahrer mehr und mehr zu kontrollieren und zu gängeln.
Dieser Pfeil zum Beispiel, der immer wieder aufblinkt. Was will er mir sagen? Schon wieder was kaputt?
Aber nein, er möchte mich nur darauf hinweisen, dass ich einen Gang höher schalten soll.
Moment mal, ich fahre gemütlich im vierten Gang und mit ungefähr 55 Kilometern in der Stunde durch eine geschlossene Ortschaft und soll in den fünften schalten? Seit wann denn das?
Nee nee, mach ich nicht. Schon aus Prinzip. Und trotzdem schiele ich immer wieder auf diesen Pfeil, der mir zuruft: Hochschalten! Hochschalten! Los, nun mach schon!
Oder dieses Rumgepiepe, weil ich nicht angeschnallt bin. Erst piept es leise, dann lauter. DANN NOCH LAUTER.
Es nervt! Und dabei fahre ich doch bloß einmal durch unser Dorf, in dem weniger Verkehrsaufkommen ist als zu Ostern am Nordpol. Sobald ich vorhabe, Marwede zu verlassen und in die große weite Welt hinaus zu fahren, schnalle ich mich immer an, echt! Ich bin schließlich eine verantwortungsbewusste Autofahrerin.
Aber wenn ich eines nicht leiden kann, dann ist es diese Bevormundung durch eine hirnlose Maschine. Da werde ich richtig bockig!
Ich sitze im Wagen, Motor aus, Schlüssel steckt, und öffne die Tür, um mich mit jemandem zu unterhalten. Und das Auto fängt an zu piepen.
Hallo? Ich rede mit jemandem! Da hältst du gefälligst deine Klappe, du hyperaktiver japanischer Kontrollfreak!
Das ist ja schon wie bei "2001 - Odyssee im Weltraum!"
Selbst den Intervall des Scheibenwischers kann ich bei Regen nicht mehr selbst regulieren, das macht er von allein. Je nachdem, wie stark es regnet.
Ja, aber vielleicht will ich das nicht? Vielleicht gehöre ich zur Kategorie der Minimal-Scheibenwischerinnen und hätte gern etwas weniger Gewische auf meiner Scheibe?
Und dann dieses Rumgepiepe beim Einparken. Das macht selbst einen ruhigen und beherrschten Autofahrer ganz wuschig. Mal im Ernst, ich bin 44 Jahre alt und habe seit 26 Jahren Führerschein!
Ich kann einparken!!!
Selbst während des Fahrens gibt der Wagen ab und zu einen kurzen und unmotivierten Fieplaut von sich. Als könne er nicht an sich halten, selbst, wenn es gar nichts zu sagen gibt.
Dabei reicht mir wirklich die Spinatwachtel, die sich in meinem Navi verbirgt! Wenn ich schon ihre Stimme höre! "Wenn möglich, bitte wenden", und das mit diesem Unterton, bei dem man das Augenverdrehen direkt mitgeliefert bekommt. "Du liebe Güte", murmelt die blöde Kuh unterschwellig. "Das war doch jetzt wirklich nicht so schwierig, oder, Alice? Ich habe nichts von rechts abbiegen gesagt. Und das in klarem und verständlichem Hochdeutsch."
Also, da krieg ich ja gleich wieder Pickel am Hals!
"Du solltest lieber mal ganz still sein, du dusselige Tante!", sage ich dann ebenfalls in klarem und verständlichem Hochdeutsch. "Ich habe eben eine Abkürzung genommen. Aber die kennst du natürlich mal wieder nicht, so veraltet und desorientiert, wie du bist. Wehe, ich fahre durch Hannover und suche die Goebenstraße oder den Lindener Marktplatz. Dann bist du plötzlich ganz still und lässt mich schön allein suchen! Du unterbelichtetes Brathuhn!"
Ich meine, wie weit soll dieser Elektronikwahn im Auto denn noch gehen? Und was kommt als nächstes? Die Fußmatte, die vorwurfsvoll knirscht, wenn man mit dreckigen Schuhen einsteigt? Der CD-Wechsler, der nur klassische Musik abspielt, damit auch ja keine Aggressionen beim Fahren aufkommen?
Nee nee, da lob ich mir die alten Autos, bei denen noch ein richtiger Motor unter der Haube war, an dem man nach Herzenslust rumschrauben konnte. Also, nicht ich natürlich. Für mich war der Blick unter die Motorhaube schon immer ein Buch mit sieben Siegeln. Aber zumindest ist mir der Gedanke sympathischer, einen Keilriemen durch eine Damenstrumpfhose zu ersetzen als sich den Hintern an einer defekten Sitzheizung zu verbrennen.
Sa
14
Jul
2012
Immer wieder lese ich Geschichten, die so lange spannend und plausibel sind, bis mit einem Mal jemand einen Traum träumt. Und regelmäßig denke ich: Nee, das ist nicht echt. So sind Träume nicht. Das hat sich irgendjemand ausgedacht, das merkt man.
Aber woran liegt das? Warum ist es so schwierig, als Autor einen Traum zu schreiben? Einen Traum, der sich wirklich so anfühlt wie ein Traum?
Vielleicht liegt es daran, dass ein Traum in einer Geschichte stets eine Funktion hat. Er soll etwas andeuten, etwas vorwegnehmen oder eine Gefahr oder Angst verdeutlichen.
Daher bezieht sich der Geschichten-Traum zumeist auf tatsächliche Begebenheiten in der Handlung - während der echte Traum, den man nachts träumt, zwar auch aus dem realen Leben gespeist wird, aber doch zumeist skurril verschlüsselt daher kommt.
Wenn man sich an Träume erinnert (und das kann man trainieren; eine Zeitlang in den Neunzigern habe ich so manchen Traum aufgeschrieben!), dann sieht man zumeist Bilder vor sich, spürt noch die Gefühle, die der Traum ausgelöst hat ... arbeiten Träume vielleicht ohne Worte und sind von daher nicht so leicht in Sätze zu fassen?
Nein. Definitiv nicht. Im Gegenteil.
Sobald ich abends anfange wegzuduseln, verselbständigen sich die Wörter in meinem Kopf. Manchmal wache ich sogar davon wieder auf und muss lachen. Moment mal ... WAS war das jetzt?
Manchmal wache ich aus einem Traum auf und habe noch die letzten Wörter im Kopf. "Erdbeermarmelade stirbt nie". Warum träume ich so etwas?
Manchmal wache ich sogar auf und habe gerade einen Begriff geträumt, der so skurril und neu ist, dass ich mich vergeblich frage, wie ich darauf gekommen bin. "Skufffläusler Schwingfliesen" zum Beispiel. Im Traum ist mir lediglich aufgefallen, dass das Wort "Skufffläusler" mit drei "f" geschrieben wird - ungewöhnlich für die Zeiten vor der Rechtschreibreform, als ich von eben jenen Schwingfliesen träumte.
Nach dem Aufwachen hingegen frage ich mich: "Skufffläusler Schwingfliesen? Bist du noch zu retten?!"
Ja, vielleicht ist das der Grund dafür, dass es so schwierig ist, Träume zu schreiben. Sie sind noch für die absurdeste Geschichte zu absurd.
Von meinem Elternhaus aus beginne ich eine Weltreise. Doch schon auf der Höhe der ersten Straßenecke fällt mir auf, dass mein Gepäck ungeschickt gewählt ist: Ich habe nur eine große Matratze bei mir, die etwa einen halben Meter breit ist. Trotzdem gehe ich mit der Matratze weiter, ich glaube, ich versuche beizeiten, auf ihr zu reiten. (...)
Ich habe zwei Vornamen. Es wundert mich zwar, dass ich bisher noch nichts davon wusste und mein zweiter Name auch nicht in meinem Ausweis steht. Aber meine Mutter sagt, er stünde in meiner Geburtsurkunde. Also hat alles seine Richtigkeit.
Ich heiße Alice Beavis Pantermüller und bin ziemlich stolz auf meinen zweiten Vornamen. Ich finde, dass er schön klingt und dazu auch noch sehr ausgefallen ist. (...)
Im Traum durchschwimme ich den Ärmelkanal und helfe dabei sogar noch einem Nichtschwimmer.
Ich kann schweben - und mich später im selben Traum kaum noch von der Stelle bewegen.
Meine Mutter hat flaschenweise von einem Parfum gekauft, das "Epitaph" heißt.
Eine alte Frau, die in Wirklichkeit der Teufel ist, wirft Gras durch den Briefschlitz.
Ein "Skinhead" mit weißem Anzug und blonden Locken demonstriert seine Macht, indem er die Fußsohlen einer anderen Person rasiert.
Ich will einen Traum aufschreiben, doch eine Freundin von mir ist in meinem Zimmer, sogar in meinem Bett, und macht den Fernseher an: Skispringen oder Abfahrtslauf. Wie soll man sich dabei konzentrieren können?
Ich habe mein Auto nicht auf dem Aldi-Parkplatz abgestellt, sondern ziehe es aus meiner Handtasche. Zwar bin ich ziemlich erstaunt darüber, dass ich den Wagen mit einer Hand hochhalten kann (und dann auch noch mit der linken!), sehe seine Fahrtüchtigkeit aber durchaus nicht darin eingeschränkt, dass der Wagen nicht länger als fünfzehn Zentimeter ist.
Ich bin in einem Boot vor der Küste von Arran. Hohe Felsenwände versperren den Durchgang zur Insel. Doch dann finde ich eine Lücke, fahre durch und bin auf dem Mond.
Ich habe meine Nieren herausoperiert bekommen ...
Nein. Ich nehme alles zurück.
Es geht nicht.
Es ist unmöglich, sich Träume auszudenken und in Geschichten einzubauen. Bei aller Phantasie: Wer, bitte, soll sich so einen Schwachsinn ausdenken? Im Wachzustand geht das gar nicht. Erst wenn Freund Unterbewusstsein zuschlägt, dann geht's los.
Doch leider lösen sich die meisten Träume schon wieder in kleine Unlogikwölkchen auf, bevor man richtig wach ist.
Und zurück bleibt ... die Unfähigkeit, einen Traum zu schreiben.
Vielleicht müssen wir damit leben, wir Autoren.
Sa
16
Jun
2012
"Spende Blut beim Roten Kreuz" stand auf dem Zettel, der neulich in unserem Briefkasten lag. Das heißt, eigentlich stand es sogar auf allen fünf Zetteln. Unser Haus ist das vorletzte im Dorf und wahrscheinlich waren noch so viele von den Blättern übrig, dass wir gleich einen ganzen Schwung davon bekommen haben.
Der Aufruf zum Blutspenden enthielt zudem so manchen Bezug zur aktuellen Fußball-Europameisterschaft. "Bring dich ins Spiel und spende Blut" und www.blutspende-em2012.de las ich. "Mach mit beim EM-Quiz! Wir verlosen 4 x 1 Cabrio-Wochenende und weitere 140 attraktive Preise! Teilnahmekarten im Blutspendelokal."
Und dann noch dieses Foto mit dem Fußball im Gras. Tsts.
Cabrio-Wochenende, na danke! Bei dem Wetter!
Die fünf Zettel machen mich stinkig. Genauso wie ganzseitige Anzeigen in der Zeitung, die zum Blutspenden aufrufen. Und die riesigen Plakatwände, von denen mich zweimal dieselbe Person ansieht. Einmal ernst, einmal mit einem Hauch von Lächeln auf den Lippen.
"Geboren am 10.9.1962. Wiedergeboren am 5.5.2009."
Dabei ist es gar nicht mal der Werbeaufwand des Roten Kreuzes, der mich stinkig macht. Diese sicherlich kostspieligen Aktionen, mit denen Menschen dazu gebracht werden sollen, Blut zu spenden. Unbezahlbares Blut, kostbares Blut. Blut, mit dem so manches Menschenleben gerettet werden kann.
Nein, was mich so richtig sauer macht, ist, dass sie solch einen Aufwand betreiben, aber MEIN Blut nicht haben wollen, die Brüder vom Roten Kreuz. Mein gutes Blut, A positiv, wunderbar rot und garantiert kerngesund. Das ich ihnen freiwillig überlassen würde.
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich seinerzeit frohen Mutes zum Blutspenden ging, erstmalig, und dieses Formular ausfüllte. Anschließend saß ich mit dem jungen Menschen vom Roten Kreuz zusammen im Sekretariat der Hauptschule Eschede, wo das Ganze stattfand, die Ärmel quasi schon hochgekrempelt. Gleich würden sie mir mein gutes, rotes Blut abzapfen, um damit Menschenleben zu retten. Dachte ich.
Stattdessen schickte mich dieser Schnösel, der offenbar seiner Aufgabe nicht gewachsen war, nach Hause und sagte, ich bräuchte niemals wiederzukommen. Aber vorher dürfte ich mir noch von den Snacks nehmen, die das Rote Kreuz den Blutspendern bereitgestellt hätte.
Pfff! Ja, wovon träumt ihr denn nachts? Fresst eure Snickers allein! Ihr wollt mein Blut nicht, dann verweigere ich auch euer kaltes Buffet. So!
Was war passiert? Nichts. Außer, dass ich in den Neunzigern länger als ein halbes Jahr am Stück in Großbritannien gelebt habe. Das war alles. Echt.
Großbritannien? Neunziger? Ja, da war was. Da klingelt doch was, oder? Zumindest bei mir klingelt es leise im Gehirn.
BSE, sag ich nur. Bovine spongiforme Enzephalopathie. Auch "Rinderwahnsinn" genannt. In den neunziger Jahren verbreitete sich die Krankheit rasant unter britischen Rindern und von dort aus auch im restlichen Europa.
Zurückzuführen ließ sich die Seuche darauf, dass die Tiere mit infiziertem Tiermehl gefüttert worden waren. Hallo? Tiermehl? Rinder? Das allein ist schon so pervers, dass man sich nicht wundern sollte, wenn Rinderhirne sich dermaßen dagegen auflehnen, dass sie löchrig werden wie Schwämme. Muh.
Der Verzehr von verseuchtem Rindfleisch wird mit der tödlichen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen in Verbindung verbracht, dessen Erreger man bislang nicht im Blut nachweisen kann.
Und jetzt komme ich ins Spiel. Rindfleisch. Großbritannien. Blut. Krankheitserreger ... muh. Ich darf nicht spenden. Niemals.
Dabei habe ich während meiner Zeit in Schottland kaum Rindfleisch gegessen. Wenn überhaupt Fleisch, dann habe ich mir meistens irgendwas Geflügeliges gekauft, das garantiert unter genauso miesen Bedingungen gelebt hat wie die BSE-verseuchten Rinder. Wahrscheinlich bin ich seitdem resistent gegen sämtliche Antibiotika und über Pickel brauche ich mich auch nicht zu wundern, aber Creutzfeldt-Jakob hab ich mir garantiert nicht geholt.
Überhaupt behaupte ich mal, dass es sechzig Millionen Leute gibt, die in den Neunzigern in GB gelebt haben, die noch heute dort leben und die auch nicht vom Rinderwahnsinn erwischt worden sind. Die vielleicht in ihrem Heimatland sogar Blut spenden dürfen und die Leben anderer Briten retten mit ihrem schönen, roten, kerngesunden Blut. Muh.
Also, irgendwie ... verwirrt mich das alles. Wieso wollen die mein Blut nicht, diese Leute vom ... wie heißen die noch? Mein schönes, rotes ... äh, Zeugs. Muh. Das macht mich jetzt total aggressiv! Ich könnte ... ja, was eigentlich? Vergessen. Muh. Liegt wahrscheinlich an der Uhrzeit. Es ist zu spät. Ich bin müde. Da kann ich mir nichts mehr ... äh, merken. Mein Gehirn ist wie ein Sieb. Oder wie ein ... wie heißt das noch gleich? Ein Schwamm. Ja, wie ein Schwamm. Das trifft das wohl noch besser.
Trifft was?
Äh, weiß nicht mehr so genau.
Muh.
Mi
16
Jan
2013
Die Ausgangssituation: Beide Opas sollen in einer gemeinsamen Szene des Buches auftauchen. Zwei nordnordnorddeutsche Opas, so unterschiedlich, wie zwei Opas nur sein können. Nicht nur vom Aussehen her (der eine lang, hager und kahl, der andere kurz und weißgelockt), sondern auch in dem, was ihre Vorlieben und Ansichten betrifft (der eine Hunde, der andere Katzen).
Und natürlich müssen sie sich auch sprachlich deutlich voneinander unterscheiden können.
Die tolle Idee: Einer der Opas spricht plattdeutsch! Und zwar Opa Fiete. Ha!
Das Problem: Ich kann kein Plattdeutsch. Zumindest nicht schreiben. Kein Kind versteht Plattdeutsch (oder höchstens 0,03% der zukünftigen jungen Leser). Und es reicht auch nicht, ab und zu ein plattdeutsches Wort einzufügen. Das taugt nix. Nicht Fisch, nicht Fleisch.
So geht Platt nicht. Hm.
Halbherzig surfe ich in meinem plattdeutschen Online-Wörterbuch rum. Suche Wörter raus, die ich in meinen Text einfüge, zwischen den hochdeutschen Wörtern. Achte darauf, dass es natürlich nur Begriffe sind, die mit "FL" oder höchstens noch "SL" gekennzeichnet sind - also keine Wörter aus dem Mecklenburger oder Oldenburger oder Magdeburger oder gar ostfriesischen Platt.
Hört sich immer noch doof an. Hm.
Egal, ich mache trotzdem weiter. Gibt es vielleicht ein plattdeutsches Wort für "lecker"? Mein Blick fällt auf "kleckern" - da es "lecker" einverleibt hat - und dann auf die Übersetzung "schwulern".
"Schwulern"? So'n Tüddelkram! Das heißt ja wohl immer noch "schwullern"! Ich blicke rechts rüber, wo ich am Rand die Kennzeichnung "FL" lese. Und die Erkenntnis trifft mich wie ein Donnerschlag: Es wird aussterben! "Schwullern" wird aussterben!
Ein Begriff, der ausschließlich in Flensburg vorkommt, endemisch und verletzlich wie der Dodo auf Mauritius - ja, er wird aussterben wie eben jener pummelige, flugunfähige Vogel. Und schuld daran bin ich.
Ich allein und all die anderen, die ihren Kindern gegenüber die ganzen schönen Wörter nicht mehr gebrauchen, die doch so stinknormal waren damals. So normal wie "schlafen", "essen" und "Mengenlehre".
Und gleichzeitig kommt mir die Idee: Opa Fiete muss Flensburgisch sprechen. Na klar! Also Hochdeutsch durchmischt mit all diesen Wörtern, die aus der Sprache der Petuh-Tanten stammen, die mit ihren "Partout"-Dauerkarten per Butterdampfer auf der Förde unterwegs waren und sich fragten: "Wie kann ein ssitzen bei ausses Licht und ssue Rollon und nähn abbe Knöpfe an?" und dabei munter deutsche/plattdeutsche/dänische/plattdänische Wörter/Grammatik/Satzbau durcheinander warfen.
Leider schwullert niemand in der Opa-Szene. Ich überlege kurz, ob ich doch einen Opa schwullern lasse, aber das wäre einfach zu gewollt. Zu aufgesetzt.
Aber ich habe Blut geleckt! Ich fange an, nach all den schönen Wörtern zu googeln, die sich irgendwo gaaanz hinten in meinem passiven Wortschatz verkrochen haben und darauf warten, wieder aktiviert zu werden.
Manchmal wimmere ich begeistert auf, wenn ich über lang vergessene Kleinode stolpere. "Spaken" zum Beispiel. "Mama, Nils spakt!" Nee, das gehört sich wirklich nicht.
Heutzutage wird ja nur noch getreten, aber das ist genau so unfein.
Wir haben noch mit "Maggeratsch" gespielt (wie langweilig ist dagegen Matsch), waren "krütsch" beim Essen (außer natürlich, es gab "Schnüsch") und es konnte mal "mallöern", dass man sich ein bisschen "abbeldwatsch" (oder auch "tumpich") anstellte und mit seinem Saft "geschwullert" hat. Das konnte dann ein ganz schöner "Kladderadatsch" sein und man wurde vielleicht als "Tüffel Achthein" bezeichnet ... aber es ließ sich ja wieder "wegfeudeln".
Aber wenn etwas "muchelig" war, dann hat man es doch lieber in den "Mulleimer" geworfen, so wie man es auch heute noch tut, wenn es schimmelig ist.
Obwohl, da kommen wir zum nächsten Problem. "Mulleimer" ist überhaupt nicht flensburgerisch, sondern eine (in beidseitiger Übereinstimmung genutzte) Eigenkreation meiner Großeltern. Und wie sieht es mit "ruschig" und "schnaulig" aus? Der einzige Mensch auf der Welt, der diese Wörter je benutzt hat, war Opa - wenn's draußen trüb und nieselig war.
Und gibt es vielleicht sonst noch jemanden hier, dessen Oma ihre Töchter und Enkelinnen alle "Pulle" genannt hat? Obwohl das Wort wahrscheinlich - da dänisch - "Pude" oder "Pudde" geschrieben wird. Aber die einzige Übersetzung, die ich für "Pude" finde, ist "Kissen" ... ist das wirklich ein dänischer Kosename?
Und ist "duhn" wirklich flensburgisch - oder ist man auch in Schleswig oder gar Hamburg noch "duhn", wenn man zu viel getrunken hat?
Hm. Ich sehe schon, die ganze Sache ist ziemlich "fieggeliensch". Ein ganz schönes "Aggewars". Echt sünde für mich. Oder eher "sssünde"! Ohauehaueha!
Ich müsste "tünen", wenn ich behaupten würde, ich wäre jetzt weitergekommen mit Opa Fiete.
Oh Mann, ich muss ssussehen und kommen in die Pötte!
Aber bestimmt sind da draußen im World Wide Web ein paar Flensburger, die mir weiterhelfen können!
Mi
12
Sep
2012
Nein, neu ist er jetzt wirklich nicht mehr, unser Ford Galaxy. Obwohl ein Kind dieses Jahrtausends und somit schon mit viel störanfälliger Elektronik ausgestattet, hat er mittlerweile ein paar Jahre auf dem Buckel und verbringt mehr Zeit in der Autowerkstatt als in unserer Garage. Gefühlt zumindest.
Und zwar der störanfälligen Elektronik wegen.
Die Fensterheber zum Beispiel. Früher, als man noch kurbeln musste, hörte man selten von größeren Problemen. Aber wenn sich heutzutage die Fenster nicht mehr heben lassen (und das vielleicht auch noch im Januar), dann kommt man an einer kostspieligen Reparatur nicht mehr vorbei.
Wenn das Licht nicht mehr geht, dann reicht es im Allgemeinen nicht mehr, eine kleine Glühlampe auszuwechseln, und von Scheibenwischermotor und Sitzheizung möchte ich gar nicht erst anfangen.
Diesmal jedoch ist's die Klimaanlage. Entgegen unserer Ansicht, bis zum nächsten Jahr im Mai bräuchten wir sowieso keine Klimaanlage, klärt uns der KFZ-Meister unseres Vertrauens darüber auf, dass leider der ganze Wagen nicht mehr läuft, wenn der Kompressor hinüber ist.
Also wieder Werkstatt.
Und Leihwagen. Ein weiterer Leihwagen.
Da die Leihwagen, die wir so kriegen, in der Regel noch ziemlich neu sind, sind sie mit noch viel mehr störanfälliger Elektronik ausgestattet. Und, was mir zunehmend auffällt, mit Elektronik, die dazu geschaffen ist, den Fahrer mehr und mehr zu kontrollieren und zu gängeln.
Dieser Pfeil zum Beispiel, der immer wieder aufblinkt. Was will er mir sagen? Schon wieder was kaputt?
Aber nein, er möchte mich nur darauf hinweisen, dass ich einen Gang höher schalten soll.
Moment mal, ich fahre gemütlich im vierten Gang und mit ungefähr 55 Kilometern in der Stunde durch eine geschlossene Ortschaft und soll in den fünften schalten? Seit wann denn das?
Nee nee, mach ich nicht. Schon aus Prinzip. Und trotzdem schiele ich immer wieder auf diesen Pfeil, der mir zuruft: Hochschalten! Hochschalten! Los, nun mach schon!
Oder dieses Rumgepiepe, weil ich nicht angeschnallt bin. Erst piept es leise, dann lauter. DANN NOCH LAUTER.
Es nervt! Und dabei fahre ich doch bloß einmal durch unser Dorf, in dem weniger Verkehrsaufkommen ist als zu Ostern am Nordpol. Sobald ich vorhabe, Marwede zu verlassen und in die große weite Welt hinaus zu fahren, schnalle ich mich immer an, echt! Ich bin schließlich eine verantwortungsbewusste Autofahrerin.
Aber wenn ich eines nicht leiden kann, dann ist es diese Bevormundung durch eine hirnlose Maschine. Da werde ich richtig bockig!
Ich sitze im Wagen, Motor aus, Schlüssel steckt, und öffne die Tür, um mich mit jemandem zu unterhalten. Und das Auto fängt an zu piepen.
Hallo? Ich rede mit jemandem! Da hältst du gefälligst deine Klappe, du hyperaktiver japanischer Kontrollfreak!
Das ist ja schon wie bei "2001 - Odyssee im Weltraum!"
Selbst den Intervall des Scheibenwischers kann ich bei Regen nicht mehr selbst regulieren, das macht er von allein. Je nachdem, wie stark es regnet.
Ja, aber vielleicht will ich das nicht? Vielleicht gehöre ich zur Kategorie der Minimal-Scheibenwischerinnen und hätte gern etwas weniger Gewische auf meiner Scheibe?
Und dann dieses Rumgepiepe beim Einparken. Das macht selbst einen ruhigen und beherrschten Autofahrer ganz wuschig. Mal im Ernst, ich bin 44 Jahre alt und habe seit 26 Jahren Führerschein!
Ich kann einparken!!!
Selbst während des Fahrens gibt der Wagen ab und zu einen kurzen und unmotivierten Fieplaut von sich. Als könne er nicht an sich halten, selbst, wenn es gar nichts zu sagen gibt.
Dabei reicht mir wirklich die Spinatwachtel, die sich in meinem Navi verbirgt! Wenn ich schon ihre Stimme höre! "Wenn möglich, bitte wenden", und das mit diesem Unterton, bei dem man das Augenverdrehen direkt mitgeliefert bekommt. "Du liebe Güte", murmelt die blöde Kuh unterschwellig. "Das war doch jetzt wirklich nicht so schwierig, oder, Alice? Ich habe nichts von rechts abbiegen gesagt. Und das in klarem und verständlichem Hochdeutsch."
Also, da krieg ich ja gleich wieder Pickel am Hals!
"Du solltest lieber mal ganz still sein, du dusselige Tante!", sage ich dann ebenfalls in klarem und verständlichem Hochdeutsch. "Ich habe eben eine Abkürzung genommen. Aber die kennst du natürlich mal wieder nicht, so veraltet und desorientiert, wie du bist. Wehe, ich fahre durch Hannover und suche die Goebenstraße oder den Lindener Marktplatz. Dann bist du plötzlich ganz still und lässt mich schön allein suchen! Du unterbelichtetes Brathuhn!"
Ich meine, wie weit soll dieser Elektronikwahn im Auto denn noch gehen? Und was kommt als nächstes? Die Fußmatte, die vorwurfsvoll knirscht, wenn man mit dreckigen Schuhen einsteigt? Der CD-Wechsler, der nur klassische Musik abspielt, damit auch ja keine Aggressionen beim Fahren aufkommen?
Nee nee, da lob ich mir die alten Autos, bei denen noch ein richtiger Motor unter der Haube war, an dem man nach Herzenslust rumschrauben konnte. Also, nicht ich natürlich. Für mich war der Blick unter die Motorhaube schon immer ein Buch mit sieben Siegeln. Aber zumindest ist mir der Gedanke sympathischer, einen Keilriemen durch eine Damenstrumpfhose zu ersetzen als sich den Hintern an einer defekten Sitzheizung zu verbrennen.
Sa
14
Jul
2012
Immer wieder lese ich Geschichten, die so lange spannend und plausibel sind, bis mit einem Mal jemand einen Traum träumt. Und regelmäßig denke ich: Nee, das ist nicht echt. So sind Träume nicht. Das hat sich irgendjemand ausgedacht, das merkt man.
Aber woran liegt das? Warum ist es so schwierig, als Autor einen Traum zu schreiben? Einen Traum, der sich wirklich so anfühlt wie ein Traum?
Vielleicht liegt es daran, dass ein Traum in einer Geschichte stets eine Funktion hat. Er soll etwas andeuten, etwas vorwegnehmen oder eine Gefahr oder Angst verdeutlichen.
Daher bezieht sich der Geschichten-Traum zumeist auf tatsächliche Begebenheiten in der Handlung - während der echte Traum, den man nachts träumt, zwar auch aus dem realen Leben gespeist wird, aber doch zumeist skurril verschlüsselt daher kommt.
Wenn man sich an Träume erinnert (und das kann man trainieren; eine Zeitlang in den Neunzigern habe ich so manchen Traum aufgeschrieben!), dann sieht man zumeist Bilder vor sich, spürt noch die Gefühle, die der Traum ausgelöst hat ... arbeiten Träume vielleicht ohne Worte und sind von daher nicht so leicht in Sätze zu fassen?
Nein. Definitiv nicht. Im Gegenteil.
Sobald ich abends anfange wegzuduseln, verselbständigen sich die Wörter in meinem Kopf. Manchmal wache ich sogar davon wieder auf und muss lachen. Moment mal ... WAS war das jetzt?
Manchmal wache ich aus einem Traum auf und habe noch die letzten Wörter im Kopf. "Erdbeermarmelade stirbt nie". Warum träume ich so etwas?
Manchmal wache ich sogar auf und habe gerade einen Begriff geträumt, der so skurril und neu ist, dass ich mich vergeblich frage, wie ich darauf gekommen bin. "Skufffläusler Schwingfliesen" zum Beispiel. Im Traum ist mir lediglich aufgefallen, dass das Wort "Skufffläusler" mit drei "f" geschrieben wird - ungewöhnlich für die Zeiten vor der Rechtschreibreform, als ich von eben jenen Schwingfliesen träumte.
Nach dem Aufwachen hingegen frage ich mich: "Skufffläusler Schwingfliesen? Bist du noch zu retten?!"
Ja, vielleicht ist das der Grund dafür, dass es so schwierig ist, Träume zu schreiben. Sie sind noch für die absurdeste Geschichte zu absurd.
Von meinem Elternhaus aus beginne ich eine Weltreise. Doch schon auf der Höhe der ersten Straßenecke fällt mir auf, dass mein Gepäck ungeschickt gewählt ist: Ich habe nur eine große Matratze bei mir, die etwa einen halben Meter breit ist. Trotzdem gehe ich mit der Matratze weiter, ich glaube, ich versuche beizeiten, auf ihr zu reiten. (...)
Ich habe zwei Vornamen. Es wundert mich zwar, dass ich bisher noch nichts davon wusste und mein zweiter Name auch nicht in meinem Ausweis steht. Aber meine Mutter sagt, er stünde in meiner Geburtsurkunde. Also hat alles seine Richtigkeit.
Ich heiße Alice Beavis Pantermüller und bin ziemlich stolz auf meinen zweiten Vornamen. Ich finde, dass er schön klingt und dazu auch noch sehr ausgefallen ist. (...)
Im Traum durchschwimme ich den Ärmelkanal und helfe dabei sogar noch einem Nichtschwimmer.
Ich kann schweben - und mich später im selben Traum kaum noch von der Stelle bewegen.
Meine Mutter hat flaschenweise von einem Parfum gekauft, das "Epitaph" heißt.
Eine alte Frau, die in Wirklichkeit der Teufel ist, wirft Gras durch den Briefschlitz.
Ein "Skinhead" mit weißem Anzug und blonden Locken demonstriert seine Macht, indem er die Fußsohlen einer anderen Person rasiert.
Ich will einen Traum aufschreiben, doch eine Freundin von mir ist in meinem Zimmer, sogar in meinem Bett, und macht den Fernseher an: Skispringen oder Abfahrtslauf. Wie soll man sich dabei konzentrieren können?
Ich habe mein Auto nicht auf dem Aldi-Parkplatz abgestellt, sondern ziehe es aus meiner Handtasche. Zwar bin ich ziemlich erstaunt darüber, dass ich den Wagen mit einer Hand hochhalten kann (und dann auch noch mit der linken!), sehe seine Fahrtüchtigkeit aber durchaus nicht darin eingeschränkt, dass der Wagen nicht länger als fünfzehn Zentimeter ist.
Ich bin in einem Boot vor der Küste von Arran. Hohe Felsenwände versperren den Durchgang zur Insel. Doch dann finde ich eine Lücke, fahre durch und bin auf dem Mond.
Ich habe meine Nieren herausoperiert bekommen ...
Nein. Ich nehme alles zurück.
Es geht nicht.
Es ist unmöglich, sich Träume auszudenken und in Geschichten einzubauen. Bei aller Phantasie: Wer, bitte, soll sich so einen Schwachsinn ausdenken? Im Wachzustand geht das gar nicht. Erst wenn Freund Unterbewusstsein zuschlägt, dann geht's los.
Doch leider lösen sich die meisten Träume schon wieder in kleine Unlogikwölkchen auf, bevor man richtig wach ist.
Und zurück bleibt ... die Unfähigkeit, einen Traum zu schreiben.
Vielleicht müssen wir damit leben, wir Autoren.
Sa
16
Jun
2012
"Spende Blut beim Roten Kreuz" stand auf dem Zettel, der neulich in unserem Briefkasten lag. Das heißt, eigentlich stand es sogar auf allen fünf Zetteln. Unser Haus ist das vorletzte im Dorf und wahrscheinlich waren noch so viele von den Blättern übrig, dass wir gleich einen ganzen Schwung davon bekommen haben.
Der Aufruf zum Blutspenden enthielt zudem so manchen Bezug zur aktuellen Fußball-Europameisterschaft. "Bring dich ins Spiel und spende Blut" und www.blutspende-em2012.de las ich. "Mach mit beim EM-Quiz! Wir verlosen 4 x 1 Cabrio-Wochenende und weitere 140 attraktive Preise! Teilnahmekarten im Blutspendelokal."
Und dann noch dieses Foto mit dem Fußball im Gras. Tsts.
Cabrio-Wochenende, na danke! Bei dem Wetter!
Die fünf Zettel machen mich stinkig. Genauso wie ganzseitige Anzeigen in der Zeitung, die zum Blutspenden aufrufen. Und die riesigen Plakatwände, von denen mich zweimal dieselbe Person ansieht. Einmal ernst, einmal mit einem Hauch von Lächeln auf den Lippen.
"Geboren am 10.9.1962. Wiedergeboren am 5.5.2009."
Dabei ist es gar nicht mal der Werbeaufwand des Roten Kreuzes, der mich stinkig macht. Diese sicherlich kostspieligen Aktionen, mit denen Menschen dazu gebracht werden sollen, Blut zu spenden. Unbezahlbares Blut, kostbares Blut. Blut, mit dem so manches Menschenleben gerettet werden kann.
Nein, was mich so richtig sauer macht, ist, dass sie solch einen Aufwand betreiben, aber MEIN Blut nicht haben wollen, die Brüder vom Roten Kreuz. Mein gutes Blut, A positiv, wunderbar rot und garantiert kerngesund. Das ich ihnen freiwillig überlassen würde.
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich seinerzeit frohen Mutes zum Blutspenden ging, erstmalig, und dieses Formular ausfüllte. Anschließend saß ich mit dem jungen Menschen vom Roten Kreuz zusammen im Sekretariat der Hauptschule Eschede, wo das Ganze stattfand, die Ärmel quasi schon hochgekrempelt. Gleich würden sie mir mein gutes, rotes Blut abzapfen, um damit Menschenleben zu retten. Dachte ich.
Stattdessen schickte mich dieser Schnösel, der offenbar seiner Aufgabe nicht gewachsen war, nach Hause und sagte, ich bräuchte niemals wiederzukommen. Aber vorher dürfte ich mir noch von den Snacks nehmen, die das Rote Kreuz den Blutspendern bereitgestellt hätte.
Pfff! Ja, wovon träumt ihr denn nachts? Fresst eure Snickers allein! Ihr wollt mein Blut nicht, dann verweigere ich auch euer kaltes Buffet. So!
Was war passiert? Nichts. Außer, dass ich in den Neunzigern länger als ein halbes Jahr am Stück in Großbritannien gelebt habe. Das war alles. Echt.
Großbritannien? Neunziger? Ja, da war was. Da klingelt doch was, oder? Zumindest bei mir klingelt es leise im Gehirn.
BSE, sag ich nur. Bovine spongiforme Enzephalopathie. Auch "Rinderwahnsinn" genannt. In den neunziger Jahren verbreitete sich die Krankheit rasant unter britischen Rindern und von dort aus auch im restlichen Europa.
Zurückzuführen ließ sich die Seuche darauf, dass die Tiere mit infiziertem Tiermehl gefüttert worden waren. Hallo? Tiermehl? Rinder? Das allein ist schon so pervers, dass man sich nicht wundern sollte, wenn Rinderhirne sich dermaßen dagegen auflehnen, dass sie löchrig werden wie Schwämme. Muh.
Der Verzehr von verseuchtem Rindfleisch wird mit der tödlichen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen in Verbindung verbracht, dessen Erreger man bislang nicht im Blut nachweisen kann.
Und jetzt komme ich ins Spiel. Rindfleisch. Großbritannien. Blut. Krankheitserreger ... muh. Ich darf nicht spenden. Niemals.
Dabei habe ich während meiner Zeit in Schottland kaum Rindfleisch gegessen. Wenn überhaupt Fleisch, dann habe ich mir meistens irgendwas Geflügeliges gekauft, das garantiert unter genauso miesen Bedingungen gelebt hat wie die BSE-verseuchten Rinder. Wahrscheinlich bin ich seitdem resistent gegen sämtliche Antibiotika und über Pickel brauche ich mich auch nicht zu wundern, aber Creutzfeldt-Jakob hab ich mir garantiert nicht geholt.
Überhaupt behaupte ich mal, dass es sechzig Millionen Leute gibt, die in den Neunzigern in GB gelebt haben, die noch heute dort leben und die auch nicht vom Rinderwahnsinn erwischt worden sind. Die vielleicht in ihrem Heimatland sogar Blut spenden dürfen und die Leben anderer Briten retten mit ihrem schönen, roten, kerngesunden Blut. Muh.
Also, irgendwie ... verwirrt mich das alles. Wieso wollen die mein Blut nicht, diese Leute vom ... wie heißen die noch? Mein schönes, rotes ... äh, Zeugs. Muh. Das macht mich jetzt total aggressiv! Ich könnte ... ja, was eigentlich? Vergessen. Muh. Liegt wahrscheinlich an der Uhrzeit. Es ist zu spät. Ich bin müde. Da kann ich mir nichts mehr ... äh, merken. Mein Gehirn ist wie ein Sieb. Oder wie ein ... wie heißt das noch gleich? Ein Schwamm. Ja, wie ein Schwamm. Das trifft das wohl noch besser.
Trifft was?
Äh, weiß nicht mehr so genau.
Muh.
Sa
08
Jan
2022
Neulich war Silvester und nach dem dritten Kaisergranat meinte unser Nachbar, es hätte vermutlich prähistorische Ursachen, dass Frauen multitaskingfähiger seien als Männer. Schließlich jagten letztere nur dem Mammut hinterher, während sich Frauen auch noch um die Kinder kümmern müssten, während sie Beeren sammelten.
Fast hätte ich widersprochen. Nicht der Sache an sich – aber die Vorstellung, dass die Frauen lediglich sammelten und hüteten, war doch eindeutig zu kurz gegriffen. Vor meinem inneren Auge sah ich jedenfalls sofort eine bestens beschäftigte Steinzeitdame vor mir, die mit einer Hand ein Riesenfaultierfell gerbte und mit der anderen eine schmackhafte Auerochsen-Brühe zubereitete … die überdies das Feuer am Brennen hielt, während sie gleichzeitig ihre Erstgeborene Uuarg’h davon abhielt, den kleinen Bruder Hundr’ghrrr mit der Steinaxt zu skalpieren und die nebenbei auch noch einen Säbelzahntiger abwehrte, der ihr an die Auerochsen-Suppe wollte.
Allein die Frage nach meinem Blog (und zwar dem hier), der seit mehreren Jahren im tiefen Dornröschenschlaf ruhte, ließ mich vorzeitig verstummen. Ja, wieso eigentlich hatte ich seit 2013 keinen Beitrag mehr verfasst? Schließlich bin ich doch eine Frau und damit automatisch multitaskingfähig … oder? Ich kann gleichzeitig ein Buch, einen Blogeintrag und einen Einkaufszettel schreiben und nebenbei noch die Steuererklärung machen, eine professionelle Zahnreinigung durchführen lassen und das Auto zur Werkstatt bringen.
Oder?
Ein Blogbeitrag zum Thema „Multitasking“ – das erschien mir spontan als das totale … Multitasking! Vor allem, weil ich ja wirklich echt viel gleichzeitig kann! Zumindest tu ich es einfach. Manchmal ist das nicht gut, ich weiß ja. Beim Essen zum Beispiel sollte man voll und ganz in seinem Tun aufgehen und jeden Bissen ganz bewusst schmecken und zwanzig Mal kauen, bevor man ihn herunterschluckt. Man sollte nicht nebenbei E-Mails beantworten und die letzten Adventskranz-Wachsflecken vom Tisch pulen.
Mir ist auch klar, dass ich beim Zähneputzen nicht immer Mah-Jongg spielen sollte. Aber Zähneputzen ist so langweilig. Mah-Jongg macht viel mehr Spaß! Und vielleicht breche ich ja doch noch mal meinen persönlichen Rekord! Auch wenn ich mittlerweile schon gar keinen Zahnschmelz mehr auf dem Dentin habe.
Natürlich ist es auch viel einfacher, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, die einem leicht fallen. Ich kann zum Beispiel sehr gut auf dem Sofa liegen, dabei Netflix gucken und Schokolade essen. Ich möchte nicht so weit gehen, von so etwas wie Talent zu reden – aber darin bin ich wirklich gut!
Viel schwieriger ist es hingegen, Tätigkeiten miteinander zu verbinden, die schon einzeln nicht so ganz ohne sind. Stricken und Isländisch lernen zum Beispiel.
Stricken. Selbstverständlich habe auch ich mir in den Achtzigern mal einen Pullover gestrickt, so wie alle weiblichen Jugendlichen damals, die darüber hinaus Teeservices mit Stövchen besaßen und Mixtapes aus dem Radio aufnahmen. Die Wolle war blau und flauschig gewesen (Plüschquamperfekt heißt diese Zeit grammatikalisch richtig) und hatte so manchen Fehler verziehen. Anschließend habe ich dann die beiden Wollquadrate und diese seltsamen Puffärmel zusammengenäht und zack, fertig, nie angezogen.
Woher kamen jetzt nur diese Gelüste nach Wolle und Stricknadeln? Fast vierzig Jahre später?
Nachdem mich das Nadelspiel und die dünne Sockenwolle meiner 2008 verstorbenen Schwiegermutter bereits vor Weihnachten in den schieren Wahnsinn getrieben hatten, wusste ich genau: Wenn es in diesem Leben noch mal klappen sollte, dann mussten zwei dicke Nadeln her und sehr dicke, flauschige Wolle, die so manchen Fehler verzeiht (es sind übrigens Leuchtnadeln geworden, 8 mm dick. Ich wollte gar keine Leuchtnadeln kaufen, aber sie waren sehr stark herabgesetzt, da sie aus dem Sortiment genommen werden.).
Und nun sitze ich auf dem Sofa mit dem glückseligen Gefühl, mir gerade einen sehr großen, dicken Schal (oder eine kleine Decke) zu stricken! Jedenfalls irgendwas, was einfach ist und was man sich anschließend dekorativ um die Schultern legen kann. Ohne Bündchen, ohne Maschen, die man auf- oder abnehmen muss. Ohne eine Ferse, Finger oder aufwendige Muster. Einfach nur rechts, links, rechts, links.
Herrlich.
Okay, ein bisschen langweilig auf Dauer. Schließlich wird mein Schal ziemlich breit (es sei denn, es wird eine schmale Decke). Rechte Masche, linke Masche, rechte Masche. Also schalte ich Netflix ein. Das kann ich. Neben mir liegt Schokolade. Und die Isländischhausaufgaben der letzten Stunde. Ich bin nicht sehr sérfróður im Stricken (bzw. sérfróð: weibliche Form). Zu sérfróður kann man auch sérmenntaður sagen (in meinem Fall sérmenntuð). Beides heißt „fachkundig“. Das bin ich nicht. Zumindest, was das Stricken betrifft. „Stricken“ heißt prjóna. Rechts, links, rechts. Ég er ekki mjög góð í prjónaskap. Oder prjónaskapum? Rechts, links. Rétt, rangt. Oder röng? Aber eigentlich heißt „rechts“ doch hægri. Wieso ist es beim Stricken anders? Rétt, rangt, rangt ... röng?
Ha? Wieso ist da mit einem Mal eine linke Masche zu viel? Und vor allem: Wie krieg ich die wieder weg? Halt, stopp, was hat Leonardo di Caprio gerade gesagt? Wir werden alle sterben? Halastjarna hrapar til jarðar! Oder … á jörðina? Wieso ist mein Isländisch nicht besser als mein Stricken, obwohl ich die Sprache schon seit acht Jahren lerne … und Stricken erst seit acht Minuten? Aaargh, jetzt klebt Schokolade in meinem breiten Schal (eða í litlu teppinu mínu)! Af hverju bin ich allt í einu nicht mehr multitaskingfähig? Warum haben nálarnar mínar einen Wackelkontakt? Og bara eine Nadel leuchtet! Það er Schokolade alls staðar! Andskotans! Nein, Finger weg von meiner Auerochsen-Suppe! Ist das da ein Säbelzahntiger, der gerade meine Kinder auffrisst? Hjálp! Tannbursti! Mah-Jongg!!!
Mi
16
Jan
2013
Die Ausgangssituation: Beide Opas sollen in einer gemeinsamen Szene des Buches auftauchen. Zwei nordnordnorddeutsche Opas, so unterschiedlich, wie zwei Opas nur sein können. Nicht nur vom Aussehen her (der eine lang, hager und kahl, der andere kurz und weißgelockt), sondern auch in dem, was ihre Vorlieben und Ansichten betrifft (der eine Hunde, der andere Katzen).
Und natürlich müssen sie sich auch sprachlich deutlich voneinander unterscheiden können.
Die tolle Idee: Einer der Opas spricht plattdeutsch! Und zwar Opa Fiete. Ha!
Das Problem: Ich kann kein Plattdeutsch. Zumindest nicht schreiben. Kein Kind versteht Plattdeutsch (oder höchstens 0,03% der zukünftigen jungen Leser). Und es reicht auch nicht, ab und zu ein plattdeutsches Wort einzufügen. Das taugt nix. Nicht Fisch, nicht Fleisch.
So geht Platt nicht. Hm.
Halbherzig surfe ich in meinem plattdeutschen Online-Wörterbuch rum. Suche Wörter raus, die ich in meinen Text einfüge, zwischen den hochdeutschen Wörtern. Achte darauf, dass es natürlich nur Begriffe sind, die mit "FL" oder höchstens noch "SL" gekennzeichnet sind - also keine Wörter aus dem Mecklenburger oder Oldenburger oder Magdeburger oder gar ostfriesischen Platt.
Hört sich immer noch doof an. Hm.
Egal, ich mache trotzdem weiter. Gibt es vielleicht ein plattdeutsches Wort für "lecker"? Mein Blick fällt auf "kleckern" - da es "lecker" einverleibt hat - und dann auf die Übersetzung "schwulern".
"Schwulern"? So'n Tüddelkram! Das heißt ja wohl immer noch "schwullern"! Ich blicke rechts rüber, wo ich am Rand die Kennzeichnung "FL" lese. Und die Erkenntnis trifft mich wie ein Donnerschlag: Es wird aussterben! "Schwullern" wird aussterben!
Ein Begriff, der ausschließlich in Flensburg vorkommt, endemisch und verletzlich wie der Dodo auf Mauritius - ja, er wird aussterben wie eben jener pummelige, flugunfähige Vogel. Und schuld daran bin ich.
Ich allein und all die anderen, die ihren Kindern gegenüber die ganzen schönen Wörter nicht mehr gebrauchen, die doch so stinknormal waren damals. So normal wie "schlafen", "essen" und "Mengenlehre".
Und gleichzeitig kommt mir die Idee: Opa Fiete muss Flensburgisch sprechen. Na klar! Also Hochdeutsch durchmischt mit all diesen Wörtern, die aus der Sprache der Petuh-Tanten stammen, die mit ihren "Partout"-Dauerkarten per Butterdampfer auf der Förde unterwegs waren und sich fragten: "Wie kann ein ssitzen bei ausses Licht und ssue Rollon und nähn abbe Knöpfe an?" und dabei munter deutsche/plattdeutsche/dänische/plattdänische Wörter/Grammatik/Satzbau durcheinander warfen.
Leider schwullert niemand in der Opa-Szene. Ich überlege kurz, ob ich doch einen Opa schwullern lasse, aber das wäre einfach zu gewollt. Zu aufgesetzt.
Aber ich habe Blut geleckt! Ich fange an, nach all den schönen Wörtern zu googeln, die sich irgendwo gaaanz hinten in meinem passiven Wortschatz verkrochen haben und darauf warten, wieder aktiviert zu werden.
Manchmal wimmere ich begeistert auf, wenn ich über lang vergessene Kleinode stolpere. "Spaken" zum Beispiel. "Mama, Nils spakt!" Nee, das gehört sich wirklich nicht.
Heutzutage wird ja nur noch getreten, aber das ist genau so unfein.
Wir haben noch mit "Maggeratsch" gespielt (wie langweilig ist dagegen Matsch), waren "krütsch" beim Essen (außer natürlich, es gab "Schnüsch") und es konnte mal "mallöern", dass man sich ein bisschen "abbeldwatsch" (oder auch "tumpich") anstellte und mit seinem Saft "geschwullert" hat. Das konnte dann ein ganz schöner "Kladderadatsch" sein und man wurde vielleicht als "Tüffel Achthein" bezeichnet ... aber es ließ sich ja wieder "wegfeudeln".
Aber wenn etwas "muchelig" war, dann hat man es doch lieber in den "Mulleimer" geworfen, so wie man es auch heute noch tut, wenn es schimmelig ist.
Obwohl, da kommen wir zum nächsten Problem. "Mulleimer" ist überhaupt nicht flensburgerisch, sondern eine (in beidseitiger Übereinstimmung genutzte) Eigenkreation meiner Großeltern. Und wie sieht es mit "ruschig" und "schnaulig" aus? Der einzige Mensch auf der Welt, der diese Wörter je benutzt hat, war Opa - wenn's draußen trüb und nieselig war.
Und gibt es vielleicht sonst noch jemanden hier, dessen Oma ihre Töchter und Enkelinnen alle "Pulle" genannt hat? Obwohl das Wort wahrscheinlich - da dänisch - "Pude" oder "Pudde" geschrieben wird. Aber die einzige Übersetzung, die ich für "Pude" finde, ist "Kissen" ... ist das wirklich ein dänischer Kosename?
Und ist "duhn" wirklich flensburgisch - oder ist man auch in Schleswig oder gar Hamburg noch "duhn", wenn man zu viel getrunken hat?
Hm. Ich sehe schon, die ganze Sache ist ziemlich "fieggeliensch". Ein ganz schönes "Aggewars". Echt sünde für mich. Oder eher "sssünde"! Ohauehaueha!
Ich müsste "tünen", wenn ich behaupten würde, ich wäre jetzt weitergekommen mit Opa Fiete.
Oh Mann, ich muss ssussehen und kommen in die Pötte!
Aber bestimmt sind da draußen im World Wide Web ein paar Flensburger, die mir weiterhelfen können!
Mi
12
Sep
2012
Nein, neu ist er jetzt wirklich nicht mehr, unser Ford Galaxy. Obwohl ein Kind dieses Jahrtausends und somit schon mit viel störanfälliger Elektronik ausgestattet, hat er mittlerweile ein paar Jahre auf dem Buckel und verbringt mehr Zeit in der Autowerkstatt als in unserer Garage. Gefühlt zumindest.
Und zwar der störanfälligen Elektronik wegen.
Die Fensterheber zum Beispiel. Früher, als man noch kurbeln musste, hörte man selten von größeren Problemen. Aber wenn sich heutzutage die Fenster nicht mehr heben lassen (und das vielleicht auch noch im Januar), dann kommt man an einer kostspieligen Reparatur nicht mehr vorbei.
Wenn das Licht nicht mehr geht, dann reicht es im Allgemeinen nicht mehr, eine kleine Glühlampe auszuwechseln, und von Scheibenwischermotor und Sitzheizung möchte ich gar nicht erst anfangen.
Diesmal jedoch ist's die Klimaanlage. Entgegen unserer Ansicht, bis zum nächsten Jahr im Mai bräuchten wir sowieso keine Klimaanlage, klärt uns der KFZ-Meister unseres Vertrauens darüber auf, dass leider der ganze Wagen nicht mehr läuft, wenn der Kompressor hinüber ist.
Also wieder Werkstatt.
Und Leihwagen. Ein weiterer Leihwagen.
Da die Leihwagen, die wir so kriegen, in der Regel noch ziemlich neu sind, sind sie mit noch viel mehr störanfälliger Elektronik ausgestattet. Und, was mir zunehmend auffällt, mit Elektronik, die dazu geschaffen ist, den Fahrer mehr und mehr zu kontrollieren und zu gängeln.
Dieser Pfeil zum Beispiel, der immer wieder aufblinkt. Was will er mir sagen? Schon wieder was kaputt?
Aber nein, er möchte mich nur darauf hinweisen, dass ich einen Gang höher schalten soll.
Moment mal, ich fahre gemütlich im vierten Gang und mit ungefähr 55 Kilometern in der Stunde durch eine geschlossene Ortschaft und soll in den fünften schalten? Seit wann denn das?
Nee nee, mach ich nicht. Schon aus Prinzip. Und trotzdem schiele ich immer wieder auf diesen Pfeil, der mir zuruft: Hochschalten! Hochschalten! Los, nun mach schon!
Oder dieses Rumgepiepe, weil ich nicht angeschnallt bin. Erst piept es leise, dann lauter. DANN NOCH LAUTER.
Es nervt! Und dabei fahre ich doch bloß einmal durch unser Dorf, in dem weniger Verkehrsaufkommen ist als zu Ostern am Nordpol. Sobald ich vorhabe, Marwede zu verlassen und in die große weite Welt hinaus zu fahren, schnalle ich mich immer an, echt! Ich bin schließlich eine verantwortungsbewusste Autofahrerin.
Aber wenn ich eines nicht leiden kann, dann ist es diese Bevormundung durch eine hirnlose Maschine. Da werde ich richtig bockig!
Ich sitze im Wagen, Motor aus, Schlüssel steckt, und öffne die Tür, um mich mit jemandem zu unterhalten. Und das Auto fängt an zu piepen.
Hallo? Ich rede mit jemandem! Da hältst du gefälligst deine Klappe, du hyperaktiver japanischer Kontrollfreak!
Das ist ja schon wie bei "2001 - Odyssee im Weltraum!"
Selbst den Intervall des Scheibenwischers kann ich bei Regen nicht mehr selbst regulieren, das macht er von allein. Je nachdem, wie stark es regnet.
Ja, aber vielleicht will ich das nicht? Vielleicht gehöre ich zur Kategorie der Minimal-Scheibenwischerinnen und hätte gern etwas weniger Gewische auf meiner Scheibe?
Und dann dieses Rumgepiepe beim Einparken. Das macht selbst einen ruhigen und beherrschten Autofahrer ganz wuschig. Mal im Ernst, ich bin 44 Jahre alt und habe seit 26 Jahren Führerschein!
Ich kann einparken!!!
Selbst während des Fahrens gibt der Wagen ab und zu einen kurzen und unmotivierten Fieplaut von sich. Als könne er nicht an sich halten, selbst, wenn es gar nichts zu sagen gibt.
Dabei reicht mir wirklich die Spinatwachtel, die sich in meinem Navi verbirgt! Wenn ich schon ihre Stimme höre! "Wenn möglich, bitte wenden", und das mit diesem Unterton, bei dem man das Augenverdrehen direkt mitgeliefert bekommt. "Du liebe Güte", murmelt die blöde Kuh unterschwellig. "Das war doch jetzt wirklich nicht so schwierig, oder, Alice? Ich habe nichts von rechts abbiegen gesagt. Und das in klarem und verständlichem Hochdeutsch."
Also, da krieg ich ja gleich wieder Pickel am Hals!
"Du solltest lieber mal ganz still sein, du dusselige Tante!", sage ich dann ebenfalls in klarem und verständlichem Hochdeutsch. "Ich habe eben eine Abkürzung genommen. Aber die kennst du natürlich mal wieder nicht, so veraltet und desorientiert, wie du bist. Wehe, ich fahre durch Hannover und suche die Goebenstraße oder den Lindener Marktplatz. Dann bist du plötzlich ganz still und lässt mich schön allein suchen! Du unterbelichtetes Brathuhn!"
Ich meine, wie weit soll dieser Elektronikwahn im Auto denn noch gehen? Und was kommt als nächstes? Die Fußmatte, die vorwurfsvoll knirscht, wenn man mit dreckigen Schuhen einsteigt? Der CD-Wechsler, der nur klassische Musik abspielt, damit auch ja keine Aggressionen beim Fahren aufkommen?
Nee nee, da lob ich mir die alten Autos, bei denen noch ein richtiger Motor unter der Haube war, an dem man nach Herzenslust rumschrauben konnte. Also, nicht ich natürlich. Für mich war der Blick unter die Motorhaube schon immer ein Buch mit sieben Siegeln. Aber zumindest ist mir der Gedanke sympathischer, einen Keilriemen durch eine Damenstrumpfhose zu ersetzen als sich den Hintern an einer defekten Sitzheizung zu verbrennen.
Sa
14
Jul
2012
Immer wieder lese ich Geschichten, die so lange spannend und plausibel sind, bis mit einem Mal jemand einen Traum träumt. Und regelmäßig denke ich: Nee, das ist nicht echt. So sind Träume nicht. Das hat sich irgendjemand ausgedacht, das merkt man.
Aber woran liegt das? Warum ist es so schwierig, als Autor einen Traum zu schreiben? Einen Traum, der sich wirklich so anfühlt wie ein Traum?
Vielleicht liegt es daran, dass ein Traum in einer Geschichte stets eine Funktion hat. Er soll etwas andeuten, etwas vorwegnehmen oder eine Gefahr oder Angst verdeutlichen.
Daher bezieht sich der Geschichten-Traum zumeist auf tatsächliche Begebenheiten in der Handlung - während der echte Traum, den man nachts träumt, zwar auch aus dem realen Leben gespeist wird, aber doch zumeist skurril verschlüsselt daher kommt.
Wenn man sich an Träume erinnert (und das kann man trainieren; eine Zeitlang in den Neunzigern habe ich so manchen Traum aufgeschrieben!), dann sieht man zumeist Bilder vor sich, spürt noch die Gefühle, die der Traum ausgelöst hat ... arbeiten Träume vielleicht ohne Worte und sind von daher nicht so leicht in Sätze zu fassen?
Nein. Definitiv nicht. Im Gegenteil.
Sobald ich abends anfange wegzuduseln, verselbständigen sich die Wörter in meinem Kopf. Manchmal wache ich sogar davon wieder auf und muss lachen. Moment mal ... WAS war das jetzt?
Manchmal wache ich aus einem Traum auf und habe noch die letzten Wörter im Kopf. "Erdbeermarmelade stirbt nie". Warum träume ich so etwas?
Manchmal wache ich sogar auf und habe gerade einen Begriff geträumt, der so skurril und neu ist, dass ich mich vergeblich frage, wie ich darauf gekommen bin. "Skufffläusler Schwingfliesen" zum Beispiel. Im Traum ist mir lediglich aufgefallen, dass das Wort "Skufffläusler" mit drei "f" geschrieben wird - ungewöhnlich für die Zeiten vor der Rechtschreibreform, als ich von eben jenen Schwingfliesen träumte.
Nach dem Aufwachen hingegen frage ich mich: "Skufffläusler Schwingfliesen? Bist du noch zu retten?!"
Ja, vielleicht ist das der Grund dafür, dass es so schwierig ist, Träume zu schreiben. Sie sind noch für die absurdeste Geschichte zu absurd.
Von meinem Elternhaus aus beginne ich eine Weltreise. Doch schon auf der Höhe der ersten Straßenecke fällt mir auf, dass mein Gepäck ungeschickt gewählt ist: Ich habe nur eine große Matratze bei mir, die etwa einen halben Meter breit ist. Trotzdem gehe ich mit der Matratze weiter, ich glaube, ich versuche beizeiten, auf ihr zu reiten. (...)
Ich habe zwei Vornamen. Es wundert mich zwar, dass ich bisher noch nichts davon wusste und mein zweiter Name auch nicht in meinem Ausweis steht. Aber meine Mutter sagt, er stünde in meiner Geburtsurkunde. Also hat alles seine Richtigkeit.
Ich heiße Alice Beavis Pantermüller und bin ziemlich stolz auf meinen zweiten Vornamen. Ich finde, dass er schön klingt und dazu auch noch sehr ausgefallen ist. (...)
Im Traum durchschwimme ich den Ärmelkanal und helfe dabei sogar noch einem Nichtschwimmer.
Ich kann schweben - und mich später im selben Traum kaum noch von der Stelle bewegen.
Meine Mutter hat flaschenweise von einem Parfum gekauft, das "Epitaph" heißt.
Eine alte Frau, die in Wirklichkeit der Teufel ist, wirft Gras durch den Briefschlitz.
Ein "Skinhead" mit weißem Anzug und blonden Locken demonstriert seine Macht, indem er die Fußsohlen einer anderen Person rasiert.
Ich will einen Traum aufschreiben, doch eine Freundin von mir ist in meinem Zimmer, sogar in meinem Bett, und macht den Fernseher an: Skispringen oder Abfahrtslauf. Wie soll man sich dabei konzentrieren können?
Ich habe mein Auto nicht auf dem Aldi-Parkplatz abgestellt, sondern ziehe es aus meiner Handtasche. Zwar bin ich ziemlich erstaunt darüber, dass ich den Wagen mit einer Hand hochhalten kann (und dann auch noch mit der linken!), sehe seine Fahrtüchtigkeit aber durchaus nicht darin eingeschränkt, dass der Wagen nicht länger als fünfzehn Zentimeter ist.
Ich bin in einem Boot vor der Küste von Arran. Hohe Felsenwände versperren den Durchgang zur Insel. Doch dann finde ich eine Lücke, fahre durch und bin auf dem Mond.
Ich habe meine Nieren herausoperiert bekommen ...
Nein. Ich nehme alles zurück.
Es geht nicht.
Es ist unmöglich, sich Träume auszudenken und in Geschichten einzubauen. Bei aller Phantasie: Wer, bitte, soll sich so einen Schwachsinn ausdenken? Im Wachzustand geht das gar nicht. Erst wenn Freund Unterbewusstsein zuschlägt, dann geht's los.
Doch leider lösen sich die meisten Träume schon wieder in kleine Unlogikwölkchen auf, bevor man richtig wach ist.
Und zurück bleibt ... die Unfähigkeit, einen Traum zu schreiben.
Vielleicht müssen wir damit leben, wir Autoren.
Sa
16
Jun
2012
"Spende Blut beim Roten Kreuz" stand auf dem Zettel, der neulich in unserem Briefkasten lag. Das heißt, eigentlich stand es sogar auf allen fünf Zetteln. Unser Haus ist das vorletzte im Dorf und wahrscheinlich waren noch so viele von den Blättern übrig, dass wir gleich einen ganzen Schwung davon bekommen haben.
Der Aufruf zum Blutspenden enthielt zudem so manchen Bezug zur aktuellen Fußball-Europameisterschaft. "Bring dich ins Spiel und spende Blut" und www.blutspende-em2012.de las ich. "Mach mit beim EM-Quiz! Wir verlosen 4 x 1 Cabrio-Wochenende und weitere 140 attraktive Preise! Teilnahmekarten im Blutspendelokal."
Und dann noch dieses Foto mit dem Fußball im Gras. Tsts.
Cabrio-Wochenende, na danke! Bei dem Wetter!
Die fünf Zettel machen mich stinkig. Genauso wie ganzseitige Anzeigen in der Zeitung, die zum Blutspenden aufrufen. Und die riesigen Plakatwände, von denen mich zweimal dieselbe Person ansieht. Einmal ernst, einmal mit einem Hauch von Lächeln auf den Lippen.
"Geboren am 10.9.1962. Wiedergeboren am 5.5.2009."
Dabei ist es gar nicht mal der Werbeaufwand des Roten Kreuzes, der mich stinkig macht. Diese sicherlich kostspieligen Aktionen, mit denen Menschen dazu gebracht werden sollen, Blut zu spenden. Unbezahlbares Blut, kostbares Blut. Blut, mit dem so manches Menschenleben gerettet werden kann.
Nein, was mich so richtig sauer macht, ist, dass sie solch einen Aufwand betreiben, aber MEIN Blut nicht haben wollen, die Brüder vom Roten Kreuz. Mein gutes Blut, A positiv, wunderbar rot und garantiert kerngesund. Das ich ihnen freiwillig überlassen würde.
Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie ich seinerzeit frohen Mutes zum Blutspenden ging, erstmalig, und dieses Formular ausfüllte. Anschließend saß ich mit dem jungen Menschen vom Roten Kreuz zusammen im Sekretariat der Hauptschule Eschede, wo das Ganze stattfand, die Ärmel quasi schon hochgekrempelt. Gleich würden sie mir mein gutes, rotes Blut abzapfen, um damit Menschenleben zu retten. Dachte ich.
Stattdessen schickte mich dieser Schnösel, der offenbar seiner Aufgabe nicht gewachsen war, nach Hause und sagte, ich bräuchte niemals wiederzukommen. Aber vorher dürfte ich mir noch von den Snacks nehmen, die das Rote Kreuz den Blutspendern bereitgestellt hätte.
Pfff! Ja, wovon träumt ihr denn nachts? Fresst eure Snickers allein! Ihr wollt mein Blut nicht, dann verweigere ich auch euer kaltes Buffet. So!
Was war passiert? Nichts. Außer, dass ich in den Neunzigern länger als ein halbes Jahr am Stück in Großbritannien gelebt habe. Das war alles. Echt.
Großbritannien? Neunziger? Ja, da war was. Da klingelt doch was, oder? Zumindest bei mir klingelt es leise im Gehirn.
BSE, sag ich nur. Bovine spongiforme Enzephalopathie. Auch "Rinderwahnsinn" genannt. In den neunziger Jahren verbreitete sich die Krankheit rasant unter britischen Rindern und von dort aus auch im restlichen Europa.
Zurückzuführen ließ sich die Seuche darauf, dass die Tiere mit infiziertem Tiermehl gefüttert worden waren. Hallo? Tiermehl? Rinder? Das allein ist schon so pervers, dass man sich nicht wundern sollte, wenn Rinderhirne sich dermaßen dagegen auflehnen, dass sie löchrig werden wie Schwämme. Muh.
Der Verzehr von verseuchtem Rindfleisch wird mit der tödlichen Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen in Verbindung verbracht, dessen Erreger man bislang nicht im Blut nachweisen kann.
Und jetzt komme ich ins Spiel. Rindfleisch. Großbritannien. Blut. Krankheitserreger ... muh. Ich darf nicht spenden. Niemals.
Dabei habe ich während meiner Zeit in Schottland kaum Rindfleisch gegessen. Wenn überhaupt Fleisch, dann habe ich mir meistens irgendwas Geflügeliges gekauft, das garantiert unter genauso miesen Bedingungen gelebt hat wie die BSE-verseuchten Rinder. Wahrscheinlich bin ich seitdem resistent gegen sämtliche Antibiotika und über Pickel brauche ich mich auch nicht zu wundern, aber Creutzfeldt-Jakob hab ich mir garantiert nicht geholt.
Überhaupt behaupte ich mal, dass es sechzig Millionen Leute gibt, die in den Neunzigern in GB gelebt haben, die noch heute dort leben und die auch nicht vom Rinderwahnsinn erwischt worden sind. Die vielleicht in ihrem Heimatland sogar Blut spenden dürfen und die Leben anderer Briten retten mit ihrem schönen, roten, kerngesunden Blut. Muh.
Also, irgendwie ... verwirrt mich das alles. Wieso wollen die mein Blut nicht, diese Leute vom ... wie heißen die noch? Mein schönes, rotes ... äh, Zeugs. Muh. Das macht mich jetzt total aggressiv! Ich könnte ... ja, was eigentlich? Vergessen. Muh. Liegt wahrscheinlich an der Uhrzeit. Es ist zu spät. Ich bin müde. Da kann ich mir nichts mehr ... äh, merken. Mein Gehirn ist wie ein Sieb. Oder wie ein ... wie heißt das noch gleich? Ein Schwamm. Ja, wie ein Schwamm. Das trifft das wohl noch besser.
Trifft was?
Äh, weiß nicht mehr so genau.
Muh.
Do
03
Mai
2012
Nicht, dass hier gleich ein Missverständnis entsteht: Ich spreche nicht von Lesereisen. Vielmehr meine ich die Reise als Büchersendung per Post. Oder vielleicht eher: die Odyssee?
Dabei ist die Situation doch so überschaubar: T*+&#% aus Handewitt hat Geburtstag und soll den zweiten Bendix kriegen. Signiert. Also tüte ich ihn ein und sende ihn ab. Sechs Tage vorher. Oder waren es sieben?
Auf jeden Fall so weit im Voraus, dass ich mich ruhigen Gewissens zurücklehnen und Däumchen drehen kann. Ha! Endlich mal nicht auf dem letzten Drücker!
Einen Tag vor dem Geburtstag dann eine "What's app" vom Vater mit tränendem Auge: Bendix ist noch nicht da.
Oh nein! Was habe ich falsch gemacht? Habe ich zu kleine Metalldinger gewählt, mit denen man offene Umschläge verschließt und ist das Buch rausgerutscht und liegt jetzt irgendwo in Hamburg bei den Postsendungen, die nicht zugestellt werden können? Hat jemand doch mal reingeguckt und die Postkarte entdeckt?
Auch an T*#&%+s Geburtstag kommt Bendix nicht in Handewitt an.
Ich rufe den netten Herrn von der zuständigen Poststelle an. Der findet, es sei noch alles im Bereich des Normalen. Schließlich müsste ich bedenken, dass ja zwischendurch auch ein Wochenende war.
Meinen Einwand, dass so gut wie immer ein Wochenende zwischendurch ist, wenn eine Postsendung eine Woche lang unterwegs ist, lässt er nicht gelten.
Stattdessen erklärt er mir, dass Online-Bestellungen so stark zugenommen hätten, dass die Post jetzt deutlich mehr zu tun hat.
Stimmt. Das hatte ich nicht bedacht. In den letzten drei bis vier Wochen hat es wirklich Überhand genommen mit diesen Online-Bestellungen. Oder waren es drei bis vier Jahre? Egal, auf jeden Fall ein Zeitraum, der so kurz war, dass die Post sich bislang unmöglich darauf einstellen konnte.
Ein weiteres Wochenende zieht vorbei. Am Montag frage ich noch mal vorsichtig per "What's app" beim Vater an, ob Bendix jetzt da sei.
"Neonazis" erhalte ich als Antwort, was mich zwar etwas überrascht, ich aber dennoch für angemessen halte angesichts der Situation. Später jedoch werde ich darüber aufgeklärt, dass hier lediglich die Autokorrektur im Spiel war. Geschrieben hatte er "Nein".
Gestern dann die erlösende Nachricht: Bendix ist da! Die gute, alte Post!
Zwar hat T'?&*% in der Zwischenzeit die Schule beendet und auch sein Studium, hat geheiratet und selbst eine Familie gegründet, aber die Hauptsache ist ja wohl, dass die Post das Buch zugestellt hat, so wie es ihre Aufgabe ist.
Darüber werde ich mich nachher noch einmal mit dem netten Herrn von der Post unterhalten, wenn ich ihn im Pflegeheim besuche, wo er seit seiner Pensionierung lebt. "Du, Horst", sage ich zu ihm (denn nach den ganzen Nachfragen, Telefonaten und Suchanträgen duzen wir uns mittlerweile), "das Buch ist da."
"Häää?", fragt er und dreht an seinem Hörgerät.
"DAS BUCH IST DAAA!"
"Hab ich doch immer gesagt", sagt Horst zufrieden. "Auf die Post ist Verlass." Und dann bittet er mich, ihn mit seinem Rollstuhl aufs Zimmer zu schieben, weil er jetzt sein Mittagsschläfchen halten muss.
Und euch bitte ich: Wenn ihr zu Weihnachten ein von mir signiertes Buch verschenken möchtet, dann meldet euch bitte innerhalb der nächsten zwei Wochen. Spätere Anfragen können aus zustellungstechnischen Gründen leider nicht mehr entgegengenommen werden.
Di
24
Apr
2012
Okay. Ich weiß noch nicht so richtig, wie das hier funktioniert mit dem Blog. Daher schreibe ich zunächst einen Test-Blog, in dem ich euch drei Dinge aus meinem (nicht immer) Autorenleben mitteilen möchte:
1. Ich sollte keine Radieschen essen. Der Genuss steht in keinem Verhältnis zu den Folgen. So lecker sind die kleinen Dinger ja nun wirklich nicht, dass es sich lohnen würde, sie anschließend noch stundenlang aufzustoßen.
2. Es gibt Verksam nicht mehr. Verksam, den schönen Bürostuhl von Ikea. Den mit dem Wollbezug, der auch nach zehn Jahren noch kein Stück verschlissen ist. Auf dem ich all meine Bücher geschrieben habe. Ikea hat ihn aus dem Programm genommen.
Verstehe einer die Schweden!
3. Endlich ein neues Brillengestell! Das erste seit 1995. Grün sollte es sein. Und ich habe mich schon so richtig darauf gefreut, mich durch sämtliche Brillengeschäfte Celles zu probieren.
Und dann das: Meine Sehstärke hat sich kaum verändert in den letzten Jahren. Außerdem kann ich in jeder Entfernung gut sehen, weil ich ein kurzsichtiges und ein weitsichtiges Auge habe.
Ich brauche keine neue Brille.
So ein Mist!